21 - IBA KIT

Ein partizipatives länderübergreifendes Experiment aktiviert Freiräume
  • Projektgruppe

    selbstständiges Einzelprojekt

  • Projektträger

    Bryum GmbH (CH)
    Stadtgärtnerei Basel-Stadt (CH)
    Gemeindeverwaltung Riehen (CH)
    Stadtverwaltung Weil am Rhein (DE)
    Stadtverwaltung Rheinfelden/Baden (DE)
    Services des espaces verts de Saint-Louis (FR)
    Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel (CH)

Ein roter Container – viele Möglichkeiten: Mit dem IBA KIT wurde ein intelligentes Planungsinstrument entwickelt, das grenzüberschreitend partizipative Gestaltung initiiert und erforscht. Es bietet für unterschiedliche Interessengruppen einen flexiblen Rahmen, Freiräume nutzerorientiert und in Zusammenarbeit zu gestalten.

In der trinationalen Agglomeration Basel gibt es eine Vielzahl von ungenutzten Zwischenräumen – ein Resultat der vielen Grenzen im Gebiet. Diese Flächen können an schwierigen Orten wie einer mit Umweltgiften belasteten Kiesgrube, in sozial benachteiligten Wohnvierteln, aber auch auf Arealen, welche für neue Stadtentwicklungsprojekte bestimmt sind, liegen. Sie gehören nicht zum kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung und existieren ebenso nicht in den Lastenheften der Verwaltungen. Dabei bergen sie ein enormes Potenzial im Hinblick auf Freizeitangebote für einen immer dichter besiedelten Grossraum, aber auch im Hinblick auf Artenvielfalt, da sie für Flora und Fauna als Trittsteine in ökologischen Korridoren dienen können. Für Anwohner*innen und zukünftige Nutzer*innen sind sie eine Chance, denn durch gemeinsame Projekte auf diesen Flächen kann der soziale Zusammenhalt gestärkt werden. Bei einer Arealentwicklung bieten sie die Möglichkeit, dass eine andere Sicht auf das Areal entsteht und zukünftige Bewohner*innen und Nutzer*innen sich bei dessen Gestaltung aktiv einbringen können.

Neues Leben für ungenutze Räume

Die erste Idee der IBA Basel für das Projekt IBA KIT war es, mit Unterstützung der Bevölkerung in der gesamten trinationalen Agglomeration ungenutzte Flächen zu erfassen, auszuwerten und zu verändern, um ein grenzüberschreitendes Urban-Gardening-Netzwerk zu schaffen. Das Ziel war, sowohl den Blick der Bevölkerung als auch der Verwaltungen auf bisher unattraktive Flächen zu verändern. Es zeigte sich allerdings schnell, dass solch ein Vorhaben für diesen grossen Perimeter zu ambitioniert war. Die Gegebenheiten in den einzelnen Partnergemeinden der IBA Basel erforderten eine Anpassung des Projekts. In diesem Rahmen wurde das Landschaftsarchitekturbüro Bryum GmbH beauftragt, mit den Stadtgärtnereien der verschiedenen Gemeinden ein trinationales Konzept auszuarbeiten: Mit roten Industriecontainern, den sogenannten IBA KIT, sollten von den Stadtgärtnereien identifizierte Flächen ein neues Leben bekommen und damit für die jeweiligen bestehenden oder neuen Stadtviertel das Zusammenleben verbessern. Mögliche Nutzungen sollten mit einem temporär aufgestellten roten Industriecontainer getestet und ausgewertet werden, um dann in ein permanentes Projekt überführt zu werden oder in ein übergeordnetes Projekt miteinzufliessen. Für die Anwohner*innen sollte es möglich werden, sich für einen Ort zu engagieren, ihn sich anzueignen und gemeinsam zu beleben.

Verbesserung des Zusammenlebens

Der erste rote Container, ein mobiles IBA KIT, wurde 2013 in Riehen (CH) aufgestellt, auf einem von den Einwohner*innen zwar geschätzten, aber bis dato hauptsächlich als Fussballplatz genutzten Landschaftsraum. Mit Sitzgelegenheiten, einem Boxsack und vielen Spielgeräten ausgestattet, war das IBA KIT als Spielekiste und Begegnungsort konzipiert. Dadurch sollten neue Nutzergruppen angezogen und der Austausch zwischen diesen gefördert werden. Neue Aktivitäten konnten getestet werden. Diejenigen, die sich als erfolgreich erwiesen, wurden in die Umgestaltung der Freifläche einbezogen. Nach Auswertung der Testphase zog das IBA KIT nach Lörrach (DE) um. Dort wurde es zur Aufwertung in die Aussenanlage einer Unterkunft für Flüchtlinge integriert und diente als Spiel- und Begegnungsort. Es erweiterte zudem den knappen Raum der Gemeinschaftsunterkunft. Zurück in der Schweiz, steht es heute in Bettingen (CH) und hilft den Schülern*innen bei der Umgestaltung ihres Schulhofs. Durch dieses erste erfolgreiche Experiment nahm das Projekt an Fahrt auf. Ab 2015 entstanden fünf weitere IBA KIT in Saint-Louis (FR), in Rheinfelden (Baden) (DE), in Basel und in Weil am Rhein (DE) auf bisher unattraktiven / unternutzten Flächen. In Rheinfelden (Baden) steht das IBA KIT in einer ehemaligen Kiesgrube. Gemeinsam mit Anwohner*innen und Geflüchteten ist ein Permakulturgarten und ein Pumptrack entstanden; ein erster Schritt, um sich das Areal anzueignen und die bis dato brachliegende Fläche zu beleben. Auch in Saint-Louis (FR) entstand mit dem IBA KIT ein Gemeinschaftsgarten, der von einer Gruppe von Anwohner*innen mit viel Engagement gepflegt und genutzt wird. Mit circa fünfzig kleinen Gartenparzellen ist ein Ort des Austauschs und der Solidarität für ein ganzes Viertel entstanden, denn der im Rahmen des Projekts ins Leben gerufene Verein «Aux jardins de Francette» kümmert sich nicht nur um die Pflege der Pflanzen, sondern auch um die Pflege neuer nachbarschaftlicher Beziehungen. Ein voller Erfolg, der mit mehreren nationalen Preisen ausgezeichnet wurde und dazu führte, dass die Stadt Saint-Louis von nun an mehr auf Partizipation setzen möchte. Der erste Schritt ist schon getan: Ein weiteres IBA KIT wurde in einem von Sozialwohnungen geprägten Viertel aufgestellt und soll auch hier das Zusammenleben der Nachbarschaft verbessern. In der Stadtverwaltung wurde eine neue Stelle geschaffen, die sich speziell um das Thema Partizipation kümmert. Auch die Landesgrenzen können die IBA KIT nicht aufhalten. Eine von der Stadtgärtnerei Basel erstellte rote «Kiste» reiste über die Grenze nach Frankreich, um dort zu zeigen, wie vielfältig im Kanton Basel- Stadt Freiräume gestaltet werden. Ein weiteres IBA KIT «Vitrine», von der IBA Basel zur Zwischenpräsentation 2016 erstellt, überquerte gleich mehrmals die Landesgrenzen: In Lörrach kam es beim IBA Projekt Am Zoll Lörrach / Riehen zum Einsatz und für mehrere Bürgerbeteiligungsanlässe in Mulhouse (FR) im Quartier DMC, das ebenso zum IBA Projektportfolio gehört.

Das IBA KIT, ein Experiment für trinationale Partizipation

Gemeinschaftsgärten, Informations- und Partizipationsort, Begegnungs- und Veranstaltungsstätte: Die roten Container sind kleine Experimentierorte, die sich stets dem räumlichen und sozialen Kontext anpassen, in dem sie aufgestellt werden. Die IBA KIT haben gezeigt, dass sich alle Bevölkerungsgruppen gerne an gemeinschaftlichen Projekten beteiligen, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt. Der rote Container allein bringt aber noch kein neues Leben. Die wichtigste Zutat sind die Nutzer*innen aus der Zivilgesellschaft. Mithilfe der Gemeindeverwaltung, schon bestehenden Vereinen, Freiwilligen oder Mediator*innen muss anfänglich eine kontinuierliche Bespielung (Quartiersfeste, Workshops, Ateliers für Anwohner*innen, ...) sichergestellt werden. Dies ermöglicht die Gründung neuer Vereine oder die Bildung zum IBA KIT zugehöriger Verantwortungsgruppen, die sich mit dem IBA KIT identifizieren, sich engagieren und die daraus entstandene Dynamik sichern. Ursprünglich als mobile Einheit konzipiert, sind die IBA KIT in vielen Fällen sesshaft geworden, denn der rote Container ist nicht nur ein Identifikationselement für die Nutzer*innen, sondern auch ein starkes Symbol für das zivilgesellschaftliche Engagement. Auf lokaler Ebene bietet das IBA KIT einen unbestrittenen Gewinn, wie beispielsweise in Saint- Louis oder in Rheinfelden (Baden), wo das Projekt einen grossen Mehrwert für das Zusammenleben im Viertel geschaffen hat. Das IBA KIT ermöglicht es so, neue Beziehungen zwischen Projektträger* innen, Nutzer*innen, den Verwaltungen und den Stadtgärtnereien der involvierten Städte herzustellen. Auf trinationaler Ebene, innerhalb der grenzüberschreitenden Projektgruppe IBA KIT, konnte das Projekt durch den Austausch zwischen den Stadtgärtnereien der involvierten Städte einen Lernprozess auslösen, der erlaubte, die jeweiligen lokalen Projekte weiterzuentwickeln. Ein IBA KIT Leitfaden hält diesen Lernprozess fest: Er erklärt die wichtigsten Schritte, um ein IBA KIT auf den Weg zu bringen, und gibt die Erfahrungen der Partnergemeinden weiter. Die Arbeit innerhalb der Projektgruppe umfasst ausserdem die Bereiche Kommunikation und Veranstaltungsplanung: Gegenseitige Besuche der IBA KIT, Feste (z. B. Kürbisfest) oder Aktivitäten rund um die IBA KIT (Kompost-Workshops, Radtouren, Führungen) werden organisiert. So hilft das Projekt, neue Kontakte über Grenzen hinweg entstehen zu lassen, und trägt dazu bei, die Lebensqualität der Bewohner*innen dauerhaft zu verbessern.

Perimeter

IBA KIT Saint-Louis (FR), 17 rue Charles Péguy, 68300 Saint-Louis, IBA KIT Rheinfelden (Baden) (DE), Karl-Metzgergrube, Uhlandweg, 79618 Rheinfelden (Baden) (DE), IBA KIT UPK: Gärtnerei UPK Basel (CH), Wilhelm-Klein-Strasse 27, 4012 Basel, IBA KIT Weil am Rhein (D): Rheinpark, 79576 Weil am Rhein

 

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der IBA Fachpublikation «Gemeinsam Grenzen überschreiten».