01 - «24 Stops» - Rehberger Weg

Eine aussergewöhnliche Wegeverbindung
Der grenzüberschreitende Kulturwanderweg «24 Stops» zwischen den Gemeinden Riehen (CH) und Weil am Rhein (DE) zeigt, wie man nachhaltig einen durch eine Staatsgrenze unterbrochenen Landschaftsraum gestaltet, sodass er zum Natur-Erlebnisraum wird. Geleitet von 24 Wegmarken des Künstlers Tobias Rehberger – durch Wiesen und Rebberge, an Brunnen und Wasserläufen entlang –, lässt sich heute eine einzigartig vielfältige Natur- und Kulturlandschaft erkunden.

Die Fondation Beyeler in Riehen (CH) und der Vitra Campus in Weil am Rhein (DE) begründen den Nimbus der modernen Architekturregion Basel. Beide liegen im Norden der Kernstadt und ziehen jährlich jeweils etwa 350.000 Besucher*innen an. Was also läge näher, als diese beiden Kulturinstitutionen trotz der gegebenen Randlage zu verbinden? Das IBA Projekt «24 Stops» setzt diesen Gedanken in die Tat um: Heute dienen 24 Objekte des Künstlers Tobias Rehberger als Wegmarken eines kultur- und naturräumlichen Entdeckungswegs, der dazu einlädt, die Geschichte und Geschichten der Umgebung und ihrer Menschen zu erfahren. Der Projektaufruf der IBA Basel im Jahr 2011 bereitete buchstäblich den Weg für die Umsetzung des Projektes. Für die Entwicklung der Idee der «24 Stops» und deren Realisierung zeichnen die Fondation Beyeler, die Gemeinde Riehen, Vitra und die Stadt Weil am Rhein partnerschaftlich verantwortlich. Ambition der Initiator*innen war es, den Naturraum entlang des Tüllinger Bergs (DE) mit Übergang in den Landschaftspark Wiese (CH / DE) nachhaltig in Wert zu setzen und zugleich die beiden Kulturinstitutionen miteinander zu verbinden. Bis dato bestand die Verbindung über ein Wegesystem, das Mobilität voraussetzte – ob öffentlicher Nahverkehr oder individuell motorisiert. Der bestehenden, tatsächlichen Landschaftsraumverbindung wurde wenig Aufmerksamkeit zugemessen.

Starke Partner*innen: Fondation Beyeler, Vitra, Riehen und Weil am Rhein

Die Fondation Beyeler als Museum für moderne und zeitgenössische Kunst setzt auf die Harmonie von Kunst, Architektur und Natur. Das vom italienischen Architekten Renzo Piano entworfene, mehrfach ausgezeichnete Museumsgebäude im idyllischen Berowerpark beherbergt das besucherstärkste Kunstmuseum der Schweiz – über 7,5 Millionen Menschen aus der ganzen Welt sind seit der Eröffnung 1997 zu Besuch gekommen. Der Vitra Campus in Weil am Rhein ist ein einzigartiges Ensemble zeitgenössischer Architektur, welches die kommerziellen und kulturellen Stärken des Möbelherstellers Vitra an einem Ort verdeutlicht. Das Produktionsgelände hat sich zu einer zentralen Anlaufstelle für Design- und Architekturliebhaber*innen aus aller Welt entwickelt. Das Vitra Design Museum auf dem Campus setzt durch seine weltweit bekannte Sammlung und seine gross angelegten Einzel- und Themenausstellungen die Geschichte und Gegenwart des Designs in Beziehung zu Architektur, Kunst und Alltagskultur. Die Gemeinde Riehen ist ein Ort mit Lebenskultur, der in einer dynamischen Kulturlandschaft zwischen Basel und der deutschen Grenze liegt. Die internationale Kunstszene ist in Riehen genauso gegenwärtig wie die regionale Kultur in einer idyllischen Naturlandschaft. Die Stadt Weil am Rhein, das «Dorf am Schlipf» im Dreiländereck, ist ein vitales kommerzielles Zentrum umgeben von Rebbergen und erlangte durch das dort ansässige Unternehmen Vitra als «Stadt der Stühle» Bekanntheit.

Kunst und Natur in Szene gesetzt

Für die Aufwertung des Naturraums zwischen Weil am Rhein und Riehen erarbeiteten die Brüder Chris und Tobias Rehberger (Berlin / Frankfurt am Main) ein Konzept für ein Skulpturenwegleitsystem, welches von der IBA Basel sowohl inhaltlich wie auch finanziell unterstützt wurde. Verschiedene Kunstinstallationen setzen die Landschaft so in Szene, dass die Besucher*innen einerseits subtil geleitet werden und andererseits neue Blickwinkel auf den Landschaftsraum und die Region erhalten. Ob Strassenlaterne, Müllbehälter, Trinkbrunnen oder Bienenund Vogelhäuser: Tobias Rehbergers Skulpturen sind verspielte Abwandlungen von Alltagsgegenständen, die aber keine abstrakten Fremdkörper im Naturraum sind, sondern als Blickfang mit Funktionalität agieren. Das Skulpturenleitsystem spannt sich zwischen zwei voll funktionsfähigen Glocken auf, die jeweils an den zwei Ausgangspunkten - der Fondation Beyeler und dem Vitra Campus - in überdimensionaler Grösse deutlich sichtbar im Raum verortet sind. Auf der ungefähren Mitte des Weges, an der Schwelle zwischen urbanem und ländlichem Bereich steht eine Plakatwand, beidseitig mit Anzeigen beklebt. Dass es sich dabei nicht (immer) um herkömmliche Werbung handeln wird, versteht sich von selbst. Ein Fernglas am Wegrand inmitten der Weinberge erlaubt den Spaziergänger* innen in das vor ihnen liegende Panorama der trinationalen Region Basel hineinzuzoomen. An anderer Stelle verschafft ein Hochsitz Überblick.

Grenzüberschreitende private public partnership

«24 Stops» entstand im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft zweier Gemeinden sowie zweier Institutionen, die ihrer gemeinsam verstandenen Verantwortung als Kulturorte Ausdruck verleihen. Als Presenting Partner ermöglichte der Uhrenhersteller Swatch die Umsetzung in zwei Schritten: Im September 2015 waren die ersten zwölf Kunstwerke fertiggestellt. Im Juni 2016 vervollständigten zwölf weitere Installationen den Weg, und im Oktober 2016 erhielten die «24 Stops» das IBA Label. Seither nutzten mehrere tausend Besucher*innen den grenzüberschreitenden Kulturwanderweg. Führungen und themenspezifische Wanderungen sowie ein Shuttle-Service vervollständigen das Angebot rund um die «24 Stops». Eine App hält nicht nur Informationen über die einzelnen Kunstobjekte für die Nutzer*innen parat, sondern auch kleine Animationen, welche die Bewusstseinswerdung im Naturraum anregen sollen. Das Projekt ist ein Beispiel dafür, wie Kunst- und Landschaftsprojekte tatsächlich Grenzen überwinden und einen regionalen Mehrwert schaffen – durch die Vernetzung zweier Kulturorte, die damit ebenso Anstoss für eine ganzheitliche Vernetzung der regionalen Kultur- und Kreativwirtschaft geben. Ein weiteres, nicht zu vernachlässigendes Plus: Die künstlerische Aufwertung der Landschaft ist für alle Gesellschaftsgruppen kostenlos erlebbar. Zudem stellt der Rehberger Weg grenzüberschreitende Verbindungen zwischen Teilräumen und somit auch Menschen her und gestaltet gemeinschaftlich genutzte Räume, die für die gesamte Region relevant sind.

Künstler

Tobias Rehberger, Frankfurt am Main (DE)

24 Wegmarken

Baum, Bienenhäuser, Billboard, Bodenarbeiten, Brunnen, Fernglas, Glocken, Hochsitz, Kuckucksuhren, Mülleimer, Strassenlaternen, Unterstand, Vogelhäuser und -käfige, Wandmalerei, Wasserspeier, Wetterfahne und -häuschen

 

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der IBA Fachpublikation «Gemeinsam Grenzen überschreiten».