13 - IBA Parc des Carrières

Vom Grenzraum zum gemeinsamen Landschaftspark
  • Projektgruppe

    Kiesgruben 2.0

  • Projektträger

    Verein zur Förderung des Parc des Carrières / Association pour la promotion du Parc des
    Carrières (CH/FR), Gemeinde Allschwil (CH), Kanton Basel-Stadt
    (CH), Kanton Basel-Landschaft (CH), Commune de Hégenheim
    (FR), Saint-Louis Agglomération (FR), Ville de Saint-Louis (FR),
    KIBAG AG (CH), Bürgerspital Basel (CH), EuroAirport Basel Mulhouse
    Freiburg (CH / FR), IBA Basel / Trinationaler Eurodistrict
    Basel TEB / ETB

Der Freiraum zwischen Basel, Allschwil (CH), Hégenheim (FR) und Saint-Louis (FR) gilt als strategischer Landschaftsraum der Agglomeration. Aufgrund seiner Lage zwischen Frankreich und der Schweiz blieb er jedoch lange unbeachtet. Einer beispiellosen Partnerschaft im Rahmen des Projekts IBA Parc des Carrières ist es zu verdanken, dass sich die gewöhnliche Grenzlandschaft nun in einen Erholungs- und Naturraum für den Metropolitanraum verwandelt.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wuchs die Agglomeration Basel. Die Kernstadt Basel vergrösserte sich – dies bis zu den sie umgebenden Landesgrenzen. Diese Entwicklung ging vor allem zulasten des Landschaftsraums. Erst durch die Sensibilisierung für ökologische und klimatische Herausforderungen und den Wunsch nach Naturräumen in der Stadt wurde das Potenzial der Freiflächen zur Strukturierung von Räumen wahrgenommen. Die zwischen dem Sundgauer Hügelland (FR) und der dicht besiedelten Stadt gelegenen Freiräume zwischen Basel, Allschwil (CH) und Saint-Louis / Bourgfelden (FR) sind einer der letzten verbleibenden grossen Landschaftsräume im Herzen der trinationalen Agglomeration. Das 300 Hektar grosse Gebiet, das heute wirtschaftlich genutzt wird, ist ein strategischer Raum für die grenzüberschreitende Vernetzung von Frei- und Naturräumen. Den Anwohner* innen ist das Areal, trotz der hohen Bevölkerungsdichte im Umkreis, jedoch wenig bekannt. Intensive Landwirtschaft, industrieller Kiesabbau und der Flugverkehr des nahe gelegenen EuroAirports prägen den Standort. Das Areal zeigt die typischen Ausprägungn der Effekte von Grenzen, mit einem Mosaik aus Wohnvierteln, Kleingärten und Gewerben (Autoschrottplatz, Recycling- und Industriestandorte etc.) an seinen Rändern. Verbindungswege zwischen den Gemeinden fehlen. Die verdichteten Flächen auf der Schweizer Seite bilden einen starken Kontrast zu den landwirtschaftlichen Freiflächen auf der französischen Seite. Hier zeigt sich das Phänomen der Verstädterung mit einer Expansion und Umstrukturierung der städtischen Gebiete auf das Umland, was oft dazu führt, dass landwirtschaftlich genutzte Flächen und Naturräume ins städtische Gebiet eingeschlossen werden. In jüngster Zeit erhält der Landschaftsraum durch die Entwicklung von Wirtschaftsgebieten (beispielsweise BaseLink in Allschwil (CH)) und durch die Planung von neuen Verkehrsprojekten (wie die Umfahrung von Hégenheim (FR) und den Autobahnzubringern) mehr Beachtung. Die Frage, die sich zum Start der IBA stellte, war: Wie kann ein bisher unbeachteter Raum für die umliegenden Gemeinden und die ganze Region zu einem gemeinsam genutzten Landschaftsraum werden? Die im Rahmen des Projekts IBA Parc des Carrières vollzogene Transformation ist das Ergebnis eines schrittweisen Prozesses. Die ersten Grundlagen für einen Metropolitanpark wurden bereits in der TEB Entwicklungsstrategie aus 2009 grob skizziert. Die Initiative «Gravières 2.0 / Kiesgruben 2.0» brachte dann den Stein ins Rollen. Die Idee des Basler Büros Courvoisier Stadtentwicklung wurde beim IBA Basel Projektaufruf in 2011 vorgestellt. Sie setzt sich zum Ziel, die Kiesgruben der Rheinebene als Ressource und Potenzial zu sehen, sie aufzuwerten und ein Netz aus grenzüberschreitenden Natur- und Erholungsräumen aufzubauen. Die IBA Basel ergriff die Chance und erklärte den Landschaftsraum zwischen Basel, Allschwil (CH), Hegenheim (FR) und Saint-Louis / Bourgfelden (FR) zum Pilotprojekt.

Die Grenze wird zu einem grünen Eintrittstor in die Agglomeration

Ein derartiges Unterfangen gestaltet sich aufgrund der grossen Flächen komplex. Dies gilt umso mehr, wenn die Initiative nicht von der öffentlichen Hand ausgeht, sich das Land mehrheitlich in Privatbesitz befindet und die Planungen durch die administrativen Grenzen erschwert werden. Unter der Leitung der IBA Basel entstand eine Strategie zur schrittweisen Umgestaltung. In der Mitte des Areals soll ein Landschaftspark entstehen. Grüne Korridore verbinden ihn für den Langsamverkehr mit den umliegenden Gemeinden. Es soll ein symbolisches «grünes Eintrittstor in die Agglomeration» entstehen, das sich zu den grossen Landschaftsräumen hin öffnet. Setzt man den grenznahen Raum auf diese Weise als Ressource ein, kann er eine starke symbolische Verbindung einen gemeinsamen Ort der Begegnung über die Grenze hinweg schaffen sowie ein Motor für städtebauliche Projekte in einem sich rasant entwickelnden Areal sein. Die Umgestaltung der grossen Kiesabbauflächen ist das Kernstück der Strategie. Ab Herbst 2020 kann eine erste Parzelle, auf der Kies abgebaut und die mit sauberem Bodenaushub wieder aufgefüllt wurde, neu genutzt werden – während der Kiesabbau auf den benachbarten Parzellen fortgesetzt wird. Die nach und nach wiederhergestellten Parzellen bilden mit der Zeit das Herz des Parks.

Eine grüne Mitte auf lokaler und regionaler Ebene entsteht

Zwischen 2020 und 2028 sollen zwölf Hektar ehemalige Kiesabbauflächen renaturiert und etwa 700 einheimische Büsche und Bäume gepflanzt werden. Hochwertige natürliche Lebensräume werden gestaltet, wobei die einst verdrängte vielfältige Flora und Fauna wiederhergestellt werden und anstelle der heutigen Monokulturen treten soll. Mit dem IBA Parc des Carrières wird eine Lücke im ökologischen Netzwerk zwischen Petite Camargue Alsacienne (FR), den ökologischen Korridoren und Freiflächen von Saint-Louis (FR) sowie dem schweizer Naturraum Allschwiler Wald geschlossen. Die Freiräume im verdichteten Kerngebiet der Agglomeration werden verbunden. Mit Wegen und Naturlehrpfaden sensibilisiert der Park als beliebtes Ausflugsziel die Bewohner*innen der gesamten Region für Umweltanliegen. Fünf ökologische Korridore sorgen für eine Anbindung zu den umliegenden Quartieren zu Fuss oder mit dem Rad. In der ersten Projektphase wird an der zentralen Wegkreuzung ein Ort für Begegnung und Erholung mit einem Spielplatz entstehen. Den dort befindlichen Aussichtsturm wird man schon von Weitem sehen können.

Die IBA Basel - ein Motor für gemeinsames Lernen

Hinter der einfachen Idee, einen grenzüberschreitenden Park zu bauen, verbirgt sich eine intensive Vorbereitung. Ausgehend von einer Privatinitiative konnte die IBA Basel die Idee durch die Entwicklung einer beispielhaften, vorher so noch nie geschlossenen Partnerschaft zwischen öffentlicher und privater Hand ermöglichen. Die IBA übernahm während acht Jahren die Projektleitung und baute nach und nach einen institutionellen Rahmen auf. Zunächst konnte eine Arbeitsgruppe die verschiedenen Interessen der öffentlichen und privaten Akteur*innen aus Frankreich und der Schweiz zusammenbringen, darunter Gebietskörperschaften, Kiesgrubenunternehmen, Grundstückseigentümer*innen sowie den EuroAirport. Die IBA initiierte den Prozess, beteiligte sich an der Finanzierung und führte planerische Studien unter Einbeziehung aller Beteiligten durch. Die darin getätigte Diagnose- und Projektarbeit trug wesentlich dazu bei, die Partner*innen zu überzeugen, sich für das Projekt zu engagieren. Darüber hinaus mussten Partnerschafts- und Kofinanzierungsvereinbarungen getroffen werden, um das Projekt zur Reife zu bringen und die planerischen Studien zu realisieren. Die Finanzierung konnte dank der IBA durch Sponsoren und Beiträge der Planungspartner*innen sichergestellt werden. Ausserdem wurde ein originelles Kofinanzierungsinstrument auf der Grundlage einer leichten Mehraufschüttung der Kiesgrube eingesetzt. Der Investitionsaufwand der öffentlichen Hand konnte so reduziert werden, auch weil durch Partnerschaften mit den Grundstückseigentümer*innen der Erwerb von Grundstücken vermieden wurde. Trotz administrativer Hürden und der langen Dauer motivierte das enorme Freiraumpotenzial und der symbolische Mehrwert des Projekts die Beteiligten dazu, nicht locker zu lassen. Zehn Jahre intensive Projektarbeit, eine Vielzahl von Planungsvereinbarungen und administrativen Genehmigungen – weit mehr als für ein «klassisches Projekt» – waren nötig, bevor man mit der ersten Baustelle starten konnte. Doch diese Zeit diente auch zum Voneinander- Lernen und zum Meistern gemeinsamer Herausforderungen, was letztlich Vertrauen herstellt und Innovation fördert. Im Jahr 2019 wurde von den massgeblich involvierten öffentlichen und privaten Beteiligten der Verein IBA Parc des Carrières gegründet, der die Governance des Projekts auch nach Ende der IBA Basel langfristig sicherstellen soll. Diese Struktur, die vom Trinationalen Eurodistrict Basel (TEB) verwaltet wird, garantiert den Fortbestand einer gemeinsamen Projektkultur.

Ein Modellprojekt für die Zukunft des Areals und der gesamten Agglomeration

Durch das Projekt IBA Parc des Carrières entsteht an der französisch-schweizerischen Grenze ein Landschaftsraum, der Gemeinden und Bürger*innen zusammenbringt. Er gibt dem gesamten Gebiet einen Entwicklungsschub und kann die weiteren geplanten Infrastrukturprojekte wie den Autobahnzubringer Bachgraben−Allschwil oder die Umfahrungsstrasse von Hésingue−Hégenheim positiv bereichern, indem auch in diesen Projekten die Synergien zwischen Natur und Stadt gefördert werden. Für die in den letzten zehn Jahren geplanten Entwicklungsflächen am Rande des Areals ist der IBA Parc de Carrières ein grosser Mehrwert. Die räumliche Ausdehnung, die ökologische Bedeutung, aber auch die herausragende partnerschaftliche wie wirtschaftliche Dimension des Projekts IBA Parc des Carrières machen das Projekt zu einer Inspirationsquelle für die Aufwertung weiterer Kiesgruben. Des Weiteren zeigt das Projekt, wie Landschaft durch die Arbeit der IBA Basel in Kooperation mit öffentlichen und privaten Akteur*innen zu einem strukturgebenden, räumlichen und symbolischen Thema für den Metropolitanraum wurde. Wird ein Gebiet aus seinen Freiräumen heraus entwickelt, lassen sich institutionelle und territoriale Hürden überwinden und neue grenzüberschreitende Herangehensweisen entwickeln.

Bauleitung

Saint-Louis Agglomération (Zentrum des Parks) (FR), Gemeinde Hégenheim (Neugestaltung Europaplatz) (FR), Saint-Louis (FR), Allschwil (CH) und Kanton Basel-Stadt (Zugangskorridore)

Perimeter

Kernzone von 12 ha auf einer ehemaligen Kiesabbaufläche, zudem 3.000 m ökologische Korridore mit Langsamverkehrsrouten; Gesamtperimeter: über 300 ha

 

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der IBA Fachpublikation «Gemeinsam Grenzen überschreiten».